Human Flight Park  
"Otto Lilienthal"
*

"O, sieh', welche Wonne hier oben uns blüht, 
Wenn kreisend wir schweben im blauen Zenith,
 
Und unter uns dehnt sich gebreitet
Die herrliche, sonnenbeschienene Welt,
 
Umspannt vom erhabenen Himmelsgezelt,
An dem nur Dein Blick uns begleitet!

Uns trägt das Gefieder; gehoben vom Wind
Die breiten, gewölbten Fittige sind,
Der Flug macht uns keine Beschwerde;
Kein Flügelschlag stört die erhabene Ruh'.
O, Mensch, dort im Staube, wann fliegest auch Du?
Wann löst sich Dein Fuß von der Erde?

Und senkt sich der Abend, und ruhet die Luft,
Dann steigen wir nieder im goldigen Duft,
Verlassen die einsame Höhe.
Dann trägt uns der Flügelschlag ruhig und leicht
Dem Dorfe zu, ehe die Sonne entweicht;
Dann suchen wir auf Deine Nähe.

So siehst Du im niedrigen Fluge uns ziehn
Im Abendrot über die Gärten dahin.
Zum Neste kehren wir wieder.
Auf heimischen Dache dann schlummern wir ein,
Und träumen vom Wind und vom Sonnenschein,

Und ruhn die befiederten Glieder. 
Doch treibt Dich die Sehnsucht, im Fluge uns gleich
Dahinzuschweben, im Lüftebereich
Die Wonnen des Flug's zu genießen,
So sieh' unsern Flügelbau, miß unsere Kraft,
Und such aus dem Luftdruck, der Hebung uns schafft,
Auf Wirkung der Flügel zu schließen.

Dann forsche, was uns zu tragen vermag
Bei unserer Fittige mäßigem Schlag,
Bei Ausdauer unseres Zuges!
Was uns eine gütige Schöpfung verlieh'n,
Draus mögest Du richtige Schlüße dann zieh'n,
Und lösen die Rätsel des Fluges.

Die Macht des Verstandes, o, wend' sie nur an,
Es darf Dich nicht hindern ein ewiger Bann,
Sie wird auch im Fluge Dich tragen!
Es kann Deines Schöpfers Wille nicht sein,
Dich, Ersten der Schöpfung, dem Staube zu weih'n
Dir ewig den Flug zu versagen!"

Aus Otto Lilienthals Buch Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst

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